Europäischer Gerichtshof überprüft deutsche Sportwetten-Regulierung
Dreieinhalb Jahre nach der Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags ist das Sportwettenkonzessionsverfahren völlig im Chaos versunken. Deshalb überprüft nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) Teile des Regelwerks im Rahmen eines Vorlageverfahrens aus Bayern. Bei der mündlichen Anhörung am Mittwoch hatten die Luxemburger Richter insbesondere die Regulierung von Sportwetten im Visier. Bereits die beiden Vorgänger-Staatsverträge waren 2006 vom Bundesverfassungsgericht und 2010 vom EuGH wegen ihrer Regelungen zu Sportwetten für verfassungs- und europarechtswidrig erklärt worden.
In Deutschland hatten bereits die Verwaltungsgerichte in Wiesbaden und Frankfurt sowie das Oberverwaltungsgericht Hamburg das Konzessionsverfahren gestoppt. Zu groß sind die Bedenken, dass der vom Glücksspielkollegium gelenkte Prozess intransparent, fehlerhaft und europarechtswidrig durchgeführt wurde. Bis heute ist nicht abzusehen, ob er überhaupt noch beendet werden kann.
Durch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der Ende 2011 von allen Ländern außer Schleswig Holstein unterzeichnet wurde, sollte, so die Ministerpräsidenten damals, der Weg zu einer Öffnung des Sportwettenmarktes geebnet und bundesweit 20 Konzessionen für Wettanbieter vergeben werden.
Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV), konstatiert:
„Die Länder haben in den letzten dreieinhalb Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro an Sportwettsteuern kassiert, aber die gesetzlich vorgesehenen Konzessionen nicht erteilt. Es ist völlig unangemessen, dass sich dieser Zustand über Jahre hinzieht."
Angesichts der stockenden Lizenzerteilung war eine zentrale Frage bei der Verhandlung in Luxemburg, ob das Sportwettenmonopol der Bundesländer denn tatsächlich abgeschafft sei, oder ob dies mit dem novellierten Staatsvertrag faktisch fortgeführt werde. Dabei ist auch relevant, dass das verworrene Regelungswerk Übergangsregelungen enthält, die genau das vom EuGH beanstandete Staatsmonopol durch die Hintertür wieder aufleben lassen – und zwar für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr nach Erteilung von Sportwettlizenzen. So lange die Landesverwaltungen privaten Wettanbietern also Lizenzen vorenthalten, können sie sich nach ihren eigenen Regeln weiterhin auf ihr rechtswidriges Monopol berufen, um gegen private Konkurrenten vorzugehen.
Mathias Dahms ergänzt:
„Wir sind froh, dass eine bayerische Richterin die verquere Logik der deutschen Sportwettenregulierung erkannt und dem EuGH zur Prüfung vorgelegt hat. Mehr noch als eine gerichtliche Aufarbeitung benötigen wir in Deutschland aber einen politischen Reformprozess, um die Schwachpunkte des Staatsvertrags zu beseitigen. Die aktuelle Rechtsunsicherheit befördert nämlich nur den Schwarzmarkt, während Verbraucher, Sport und Wettanbieter als Verlierer dastehen. Was wir zur Zeit erleben, ist ein Glücksspielstaatsversagen auf ganzer Linie."
Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat angekündigt, dass sein Schlussantrag bis zum September vorliegen wird. Eine Entscheidung des EuGH ist daher noch in diesem Jahr möglich.