Die Doku 'Angriff auf den Amateurfußball' des Bayerischen Rundfunks sorgte für viel Aufmerksamkeit. Wetten auf Amateursport sind in Deutschland verboten - und im Ausland werden sie durch Schutzmaßnahmen wie Geoblocking und Identitätsprüfungen verhindert. Der Film führte daher viele in die Irre.
Der Bayerische Rundfunk hat kürzlich eine Dokumentation “Angriff auf den Amateurfußball - Die Gier der Wettanbieter” veröffentlicht, der den Zuschauern wesentliche Tatsachen verschweigt. Der Film deutet an, deutsche Wettkunden dürften bei lizenzierten Wettanbietern im EU-Ausland auf deutsche Amateurfußballspiele um Geld wetten und so die deutsche Rechtslage umgehen. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch:
Erstens nutzen international tätige Wettanbieter Geolokalisierungstechniken, um grenzüberschreitendes Wetten zu verhindern. Im Film hat ein Kunde von Deutschland aus diese technischen Schutzmaßnahmen gezielt umgangen. Das verschweigt der Beitrag allerdings, so dass es aussieht, als sei eine solche Teilnahme ohne weiteres möglich oder sogar eigentlich gewollt.
Zweitens ist die Auszahlung eines Wettgewinns europaweit an eine Identifizierung des Kunden gebunden. Eine Auszahlung war aber auch durch den Kunden im Film zu keinem Zeitpunkt möglich. Auch das erwähnt der Film nicht und erweckt dadurch den Eindruck, Wetten auf Amateurspiele seien aus Deutschland heraus möglich.
Hintergrund: Uneinheitliches Glücksspielrecht in Europa
Die Rechtslage zum Wetten ist in der EU nicht einheitlich geregelt. In Deutschland sind Wetten auf Amateurspiele nicht zulässig. International – auch im EU-Ausland – sind Wetten auf Amateursportveranstaltungen jedoch fast immer legal. Die meisten EU-Regulierer machen keinen Unterschied zwischen Profi- und Amateursport. Das liegt auch daran, dass diese Abgrenzung oft schwierig ist.
Der europäische Markt für Sportwetten ist im Gegensatz zu anderen Digitalmärkten in der EU nicht harmonisiert, sondern stark fragmentiert. Für Online-Glücksspielanbeiter gibt es kein grenzüberschreitendes Regelwerk. Dies hat zur Folge, dass jeder EU-Mitgliedsstaat eigene, teils unterschiedliche Regeln erlässt, unter welchen Bedingungen Sportwetten im jeweiligen EU-Mitgliedsstaat angeboten werden dürfen und welche Arten von Wetten (nicht) zulässig sind. In Deutschland gilt eine der striktesten Sportwettenregulierungen in Europa. Hier schreibt die zuständige Regulierungsbehörde GGL in einem offiziellen Wettprogramm detailliert vor, welche Sportarten und Wettbewerbe bewettet werden dürfen. Deutschland ist hier aber eine Ausnahme: Nur in ganz wenigen EU-Staaten entscheiden Regulierer darüber, wie ein Wettprogramm im Detail ausgestaltet sein darf.
Schutzmaßnahmen für Kunden aus Deutschland
Um den unterschiedlichen Regelungen in einzelnen EU-Staaten gerecht zu werden, verhindern die Wettanbieter grenzübergreifendes Spiel durch Geoblocking. Dabei setzen sie mehrere technische Maßnahmen ein, um den Zugriff auf ihre .com Seiten aus Deutschland heraus zu unterbinden. Versuchen deutsche Kunden, auf .com Domains zuzugreifen, werden sie beispielsweise anhand ihrer IP-Adresse erkannt, geblockt und auf die .de Seite des Anbieters umgeleitet. Auch weitere Geolokalisationstechniken wie die Erfassung des Standorts des Mobiltelefons oder Verifizierungen per SMS-Token werden genutzt.
Verhinderung von Betrugsversuchen
In dem Bericht des Bayerischen Rundfunks werden diese Geoblocking-Techniken jedoch bewusst ausgehebelt: Erstens durch Nutzung eines VPN-Netzwerks mit Ausgangstunnel in einem anderen EU-Staat. Zweitens hat der Kunde unter Angabe einer gefälschten Identität einen Account erstellt und auf diesem Weg eine Wette auf ein deutsches Amateurspiel platziert. Was der Film weiterhin verschweigt, ist, dass seitens des Wettanbieters kein Wettgewinn ausgezahlt wurde und auch nie ausgezahlt worden wäre. Grund dafür ist, dass Betrugsversuche wie die Nutzung gefälschter Identitäten im Rahmen der vollumfänglichen Identifizierung der Kundendaten bei einem Auszahlungswunsch durch den Wettanbieter erkannt werden. In solchen Fällen wird die Auszahlung verweigert.
Der Kunde im Film des Bayerischen Rundfunks konnte eine Wette abgeben, diese aber nicht abschließen. Die Auszahlung ist ihm nämlich verweigert worden. Die Wette im Film wurde in einem EU-Staat platziert, bei dem die Vollidentifizierung erst zum Zeitpunkt der Auszahlung erfolgt (siehe Infobox Vollidentifizierung). Das entspricht der Rechtslage in diesem EU-Staat.
Lizenzierte Wettanbieter in der gesamten EU sind dazu verpflichtet, ihre Kunden vollumfänglich zu identifizieren, zum Beispiel durch das Einlesen eines behördlichen Ausweisdokuments, und bei jedem Log-In zu authentifizieren. Im Fachjargon wird das als KYC-Prozess bezeichnet (KYC = Know Your Customer). Allerdings unterscheiden sich auch hier die Regeln innerhalb der EU, wann dieser Prozess vollzogen werden muss. In Deutschland erfolgt der KYC-Prozess zu Beginn der Geschäftsbeziehung. In anderen EU-Staaten hingegen erfolgt die Vollidentifizierung erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde eine Auszahlung von Wettgewinnen anfordert. Je nach behördlichen Vorgaben setzen international tätige Wettanbieter die Lizenzbedingung in verschiedenen Staaten unterschiedlich um.
Die Folge: Wetten bei im Ausland lizenzierten Wettanbietern sind nicht möglich, denn selbst im Falle der Nutzung von Verschleierungstechniken und gefälschten Identitäten werden diese Kunden spätestens bei der Anforderung der Wettgewinne enttarnt.
Der Film problematisiert also im Grunde die fragmentierte Rechtslage, nicht aber das Verhalten der legalen Anbieter – auch wenn er diesen Eindruck vermittelt.
Das Problem sind Schwarzmarktanbieter, nicht die anderen EU-Staaten
Das eigentliche Problem im Zusammenhang mit dem deutschen Sportwettenmarkt sind nicht die Webseiten von legalen Wettanbietern in europäischen Nachbarländern, sondern die zahlreichen niedrigschwelligen und viel beworbenen Wettangebote von illegalen Seiten. Diese entziehen sich jeglicher Regulierung und Besteuerung und sind in Deutschland sehr präsent. Der Ökonom Gunther Schnabl von der Uni Leipzig hat in einer umfangreichen Studie nachgewiesen, dass deutsche Online-Glücksspielkunden die Hälfte der Zeit auf illegalen Webseiten spielen. Auch die stark sinkenden Steuereinnahmen der legalen Glücksspielanbieter zeigen, dass es eine erhebliche Abwanderung von deutschen Kunden von den legalen hin zu illegalen Angeboten gibt. Hierauf sollten auch die Bundesländer ein stärkeres Augenmerk richten.