Kommunen müssen handeln, um Steuerrückforderungen zu vermeiden
Berlin. – Die von vielen Kommunen erhobene Wettbürosteuer auf Grundlage der Brutto-Wetteinsätze ist verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt Professor Gregor Kirchhof, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, in einem Gutachten im Auftrag des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV).
Die Verfassungswidrigkeit begründet Kirchhof mit der Gleichartigkeit von Wettbürosteuer und Sportwettsteuer. Letztgenannte erhebt der Bund nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz in Höhe von fünf Prozent ebenfalls auf die Wetteinsätze:
„Die Sportwettsteuer und die Wettbürosteuer schöpfen damit aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sind in der Bemessungsgrundlage, im Belastungsgrund, in der Erhebungstechnik und der grundrechtlichen Zahlungsbetroffenheit gleichartig. Die Wettbürosteuer verletzt in der gegenwärtigen Bemessung nach dem Brutto-Wetteinsatz das Gleichartigkeitsverbot und damit das Grundgesetz.”
Derzeit besteuern mehrere Kommunen insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen die Wetteinsätze in den Wettbüros, nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Juni 2017 die vorherige Bemessungsgrundlage der Wettbürofläche für gleichheitswidrig erklärt hat. Kirchhof kritisiert:
„In dem knappen Hinweis, mit dem Wetteinsatz stehe ein praktikabler und sachgerechter „Wirklichkeitsmaßstab” für die Besteuerung zur Verfügung, hat das Gericht die Kommunen in die verfassungsrechtliche Irre geführt. Die erwogene neue Bemessungsgrundlage wird nur kurz erwähnt, nicht konkretisiert und verfassungsrechtlich erörtert.”
Eine Wettbürosteuer darf jedoch keine zusätzliche Umsatz- oder Sportwettsteuer sein. Als örtliche Aufwandsteuer muss sie den tatsächlichen örtlichen Aufwand bemessen, den der Wettkunde in der jeweiligen Kommune tätigt.
Wollen die Kommunen umfangreiche Steuerrückforderungen vermeiden, sieht DSWV-Präsident Mathias Dahms daher dringenden Handlungsbedarf:
„Der Deutsche Sportwettenverband möchte im Dialog mit den Kommunen die Wettbürosteuer auf eine rechtlich tragfähige Grundlage stellen, die beidem gerecht wird: dem Wunsch der Kommunen nach sicheren Steuereinnahmen sowie dem Interesse der Wettbürobetreiber an einer angemessenen Besteuerung.”
Von der rechtlichen Fragilität der Wettbürosteuer in ihrer jetzigen Form zeugt auch die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden: Das Gericht hat vor wenigen Tagen die neue Wettbürosteuersatzung der Stadt Bielefeld für ungültig erklärt, die eine dreiprozentige Steuer auf die über Wettbüros abgewickelten Wetteinsätze vorsieht.
Eine rechtskonforme Lösung könnte nach Ansicht von Steuerrechtsexperte Kirchhof in einer pauschalen Besteuerung von Live-Wetten auf Sportereignisse liegen, die der Wettkunde im Wettbüro mitverfolgt. Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern werden vielfach in Pauschalen bemessen – zum Beispiel die Hundesteuer.
Das vollständige Rechtsgutachten von Professor Kirchhof ist unter diesem Link abrufbar.